Herausforderungen eines Ärztlichen Direktors

Prof. Dr. med. J. Bargon | Foto: privat
Prof. Dr. med. J. Bargon | Foto: privat

 

 

 

 

Prof Dr. med. Joachim Bargon ist Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie, Allergologie, Schlafmedizin und Infektiologie. Seit 2001 ist er Chefarzt der Inneren Medizin des St. Elisabethen-Krankenhauses in Frankfurt am Main.

 

Im Interview mit ihm haben wir über die Herausforderungen und Probleme gesprochen, die er als Ärztlicher Direktor bewältigen muss, und was ihn an der Pneumologie besonders begeistert.

Außerdem erzählt er uns, worauf er bei einer Bewerbung besonders achtet und welche Krankheitsbilder jeder Arzt kennen sollte.

Erzählen Sie uns etwas über sich.

Prof. Bargon: Ich bin in Frankfurt zur Schule gegangen und habe dann nach vier Jahren Wartezeit Medizin studiert. Ich wollte immer Innere machen und bin dann durch die Doktorarbeit in die Pneumologie gerutscht. Während meiner Ausbildung war ich zwei Jahre in den USA zu Forschungszwecken, bin dann zurück, habe habilitiert und war dann als Oberarzt an der Uniklinik. Dann, 2001, habe ich die Stelle hier im St. Elisabethen-Krankenhaus bekommen. Früher war das hier eine Gastrologie. Ich habe daraus dann eine Pneumologie aufgebaut.

 

Was macht ein Ärztlicher Direktor überhaupt?

Prof. Bargon: Als Ärztlicher Direktor ist man verantwortlich für das Haus in der Außendarstellung und nach innen, um die Chefärzte zusammenzuhalten. Man sitzt in der Betriebsleitung, die die Entscheidung trifft, in welche Richtung wir als Krankenhaus gehen. Im Umbau koordiniert man natürlich auch die Baumaßnahmen (Anmerkung: Das Krankenhaus wird derzeit umgebaut). Ich bin Vorsitzender der Hygienekommission, Vorsitzender der Laborkommission, Vorsitzender der Arzneimittelkommission und der Vorsitzende der Chefarztrunde und damit Vertreter gegenüber der Geschäftsführung.

 

Wo liegt der Unterschied zwischen Kaufmännischem und Ärztlichem Direktor?

Prof. Bargon: Der Kaufmann ist eigentlich der Mächtigere, weil er über das Geld entscheidet. Das ist ja oft das relevante. Als Ärztlicher Direktor kann man nur Vorschläge machen. Im Endeffekt entscheidet der Kaufmännische Leiter oder die Geschäftsführung, wo Geld ausgegeben wird. Letztlich entscheidet es sich daran, wo das Geld hingeht. Das ist leider in allen Kliniken so.

 

Wer gehört zur Betriebsleitung?

Prof. Bargon: Betriebsleitung sind die Pflegedirektorin, die Oberin (Anmerkung: Beim St. Elisabethen-Krankenhaus handelt es sich um ein katholisches Krankenhaus), die Kaufmännische Direktorin und der Ärztliche Direktor, wobei alle gleichberechtigt sind. Die Betriebsleitung macht Vorschläge und hat auch eine gewisse Entscheidungsbefugnis, aber nur unter der Genehmigung der Geschäftsführung, die ganz oben steht.

 

Wie viel Einfluss hat der Ärztliche Direktor auf Personalentscheidungen?

Prof. Bargon: Beim Personal entscheidet der Case Mix Index und die Fallzahl, was das Personal hergibt. Das ist heute alles sehr restriktiv. In der Inneren zum Beispiel ist es so, falls wir die Fallzahlen und den Case Mix Index nicht bringen, dann heißt es: weniger Stellen. Man kann genau berechnen, wie viel Personal der Abteilung zusteht. Damit kann man eigentlich kaum arbeiten. Wir liegen etwas darüber, weil der Index so hart kalkuliert ist, dass man da nur gesunde Leute im Krankenhaus liegen haben dürfte, um die Arbeit zu bewältigen. Aber das ist ganz klar vorgegeben. Und da hat man nicht viel Spielraum.

 

Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?

Prof. Bargon: Ich versuche ja immer noch meine Chefarzttätigkeit auszufüllen. Deshalb bin ich Mediziner. Was unsere Kaufmännische Direktorin macht, mit Bürokratie beschäftigen und den ganzen Tag in Sitzungen sitzen, könnte ich nicht. Da wäre ich frustriert. Ich würde sagen, 70% meiner Zeit ist Klinik mit Unterricht, Visiten, Patienten und Endoskopien. 30% sind Verwaltungsaufgaben wie Laborkommission, Betriebsleitersitzungen, Kontakt zur Uni, Kontakt zum Gesundheitsamt und so weiter.

 

Was sind die größten Herausforderungen Ihrer Arbeit?

Prof. Bargon: Im Moment natürlich unser Umzug. Ansonsten, was alle Chefärzte immer mehr betrifft, der Druck von außen. Von den Krankenkassen, vom MDK (Anmerkung: Medizinischer Dienst der Krankenkassen), vom Gesundheitsamt, von der Hygiene. Das sind ja alles Sachen, die in diesen Formen und diesem Ausmaß früher noch nicht so waren. Allein die Hygiene: Früher hat man sich mit der Hygienekommission einmal im Jahr getroffen. Heute haben wir regelmäßig Treffen mit dem Gesundheitsamt, werden regelmäßig überwacht. Wir haben viel, viel mehr Keimprobleme: MRSA, VRE, 4-MRGN und so weiter. Das gab es vor 10 Jahren in der Form nicht. Wir haben zwei Hygienekräfte hier im Haus, die nichts anderes machen als Surveillance, Hygienebeobachtung und Kontrollen. Das sind ganz andere Ausmaße.

 

Was ist das Hauptproblem mit den Krankenkassen?

Prof. Bargon: Mit Krankenkassen ist das Hauptproblem, dass sie sehr restriktiv in Bezug auf die Bezahlung handeln. Wir kriegen nur noch das, was unbedingt sein muss. Wir kriegen immer wieder Fälle gestrichen. Der MDK kommt einmal die Woche ins Haus und überprüft uns: Fehlbelegungen, Überbelegungen, zu lange belegt, Dokumentationsfehler. Wenn nur irgendetwas nicht dokumentiert ist, geht der MDK hin und streicht das Geld. Da verlieren wir relativ viel. Das liegt vielleicht auch teilweise an uns, weil wir nicht dokumentiert haben oder wir eine Fehlbelegung haben, weil wir jemanden aufgenommen haben, der nicht hätte aufgenommen werden dürfen. Ziel der Politik ist es natürlich auch, Betten abzubauen, und durchaus auch mit dem Ziel, Krankenhäuser zu eliminieren. Man muss auch sagen, wenn in Frankfurt ein, zwei Krankenhäuser wegfallen, würde die Bevölkerung nicht darunter leiden und die Kassen würden sich freuen. Und natürlich muss jedes Krankenhaus versuchen, dass nicht sie es sind, die wegfallen.

 

Warum haben Sie sich für Innere und speziell für Pneumologie entschieden?

Prof. Bargon: Grob kann man ja sagen, dass es innere und chirurgische Fächer gibt. Da war für mich relativ früh klar, dass ich eher in die nicht-chirurgische Ecke gehen werde. Neurologie und Pädiatrie kamen da noch in Frage. In Neurologie habe ich mein Wahlfach gemacht, aber bedingt durch die Doktorarbeit und das Angebot in der Pneumologie anzufangen, bin ich in die Innere gerutscht. Aber ich habe es nicht bereut. Pneumologie ist für mich das spannendste Fach aus der Inneren, was das Spektrum betrifft: Allergologie, Onkologie, Arbeitsmedizin, Immunologie.

 

Wie hat sich die Arbeit im Vergleich zu Ihrer Anfangszeit gewandelt?

Prof. Bargon: Mir ist aufgefallen, dass es eine Zeit - Studenten der Y-Generation - gab, in der Studenten eher sehr auf Freizeit geachtet haben. Das hat sich wieder etwas gewandelt. Jetzt hat man wieder eher Leute, die bereit sind, etwas mehr zu machen. Wobei es auch gut ist, dass die jüngeren Kollegen auf Freizeit und Lebensqualität achten und nicht so bekloppt sind, wie wir damals. Das war eine andere Zeit. Als ich mich beworben habe, war ich froh, eine Stelle angeboten bekommen zu haben. Bei den Chefs lagen riesige Stöße an Bewerbungen und sie konnten sich irgendeine rausnehmen und haben zwanzig gleich wieder zurückgeschickt. Wenn man sich heute bewirbt, wird man meistens mit Handkuss aufgenommen. Bei den Kardiologen war das früher so: Drei Bewerber, ein Jahr Einstellung, je ein drittel Gehalt und dann wurde von den dreien der beste genommen. Wenn das heute jemand sagen würde, würde man ihn für wahnsinnig halten. Von daher ist das eigentlich gut für euch, dass es anders geworden ist. Auch dass man diese 36-Stunden-Dienste abgeschafft hat. Das war wirklich schlauchend. Wir sind ja morgens gekommen, eine Nacht geblieben und haben am nächsten Tag weitergearbeitet bis abends um 5. Das ist gut, dass es nicht mehr so ist.

 

Ihr "Steckenpferd" ist die Mukoviszidose. Warum?

Prof. Bargon: Das hat auch mit meiner Geschichte zu tun. In den USA habe ich an Mukoviszidose geforscht. Das war 1989, 1990. Der Hype ging Richtung Gentherapie. Das Gen war entdeckt worden und die Amerikaner haben gesagt: Jetzt machen wir Gentherapie bei Mukoviszidose. Die Arbeitsgruppe, in der ich war, war davon überzeugt, dass es uns gelingt, mit Adenoviren das gesunde Gen in die Zellen zu bekommen. Funktioniert hat es nie. Das hat mich aber auf die Mukoviszidose-Forschung gebracht. Zurück in Frankfurt habe ich dann mit der Kinderklinik gesprochen, weil damals die Patienten - auch die Erwachsenen - in der Kinderklinik mitbetreut waren. Die haben mich mit offenen Armen aufgenommen, weil sie sowieso einen Pneumologen gesucht haben, der eine Erwachsenen-Ambulanz in Frankfurt etablieren möchte. Damals waren die Erwachsenen-Ambulanzen noch in den Kinderschuhen. Innerhalb von zwei Jahren hatten wir dann die zweitgrößte Erwachsenen-Ambulanz Deutschlands. Mukoviszidose war also lange Zeit meine Hauptbeschäftigung. Als ich ans St. Elisabethen-Krankenhaus gewechselt habe, sind einige Patienten mitgekommen, überwiegend Patienten, die ich schon seit 10-15 Jahren betreue.

 

Wie ist heute die Lebenserwartung bei Mukoviszidose?

Prof. Bargon: Ungefähr 30. Man geht davon aus, dass Kinder, die heute geboren werden, noch älter werden können, weil es Therapieformen gibt, die besser sind. Es gibt Genregulatoren, die man relativ früh geben kann. Aber es gibt durchaus jüngere Patienen, denen es schlecht geht und ältere Patienten, denen es gut geht. Einer meiner Patienten ist 45 und ihm geht's bestens. Der Verlauf ist sehr variabel.

 

Welche pneumologischen Krankheitsbilder sollte jeder Arzt - unabhängig vom Fachgebiet - kennen?

Prof. Bargon: Asthma, COPD. Er sollte Fibrosen erkennen und dann gegebenfalls weiterschicken. Fibrosen sind selten und werden oft zu spät erkannt. Auskultatorisch ist das Knisterrasseln eigentlich sehr eindrücklich. Dann Lungenkarzinom natürlich, wobei es da oft keine Frühsymptome gibt. Pulmonale Hypertonie, zumindest daran denken, dass es sowas gibt. Und natürlich die infektiologischen Erkrankungen wie Tuberkulose und Pneumonie. Das zähle ich aber schon zum Allgemeinwissen. Im Bereich Arbeitsmedizin zählen Lungen- und Hauterkrankungen zu den häufigsten Berufserkrankungen. Bäckerasthma gibt es heute noch. Asbestosen nehmen langsam ab, gibt es aber auch heute noch, 30 Jahre später.

 

Wenn sich jemand bei Ihnen bewirbt: Worauf achten Sie am meisten?

Prof. Bargon: Ich lasse mir kein Abiturzeugnis geben. Mich interessiert nicht, ob jemand 1,0 oder 1,5 hatte. Mir ist jemand lieber, der vielleicht ein, zwei Jahre gewartet hat und nicht gleich studiert hat und in der Zeit etwas sinnvolles gemacht hat, wie eine Ausbildung in der Medizin. Und dann ist für mich noch wichtig, was man während dem Studium noch gemacht hat. Jemand, der mit 18 Abitur gemacht hat und sein Studium durchgezogen hat, ist nicht unbedingt der interessanteste Kandidat, um hier anzufangen. Was jemand als Hobby oder ehrenamtlich gemacht hat, sagt für mich mehr aus als ein durchgezogenes Studium mit gutem Abschluss.

 

Herr Prof. Dr. Bargon, vielen Dank für das Interview.

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